Onlineveranstaltung in der Berufsschule

Onlineveranstaltung in der Berufsschule

– Ein Bericht von Martina Meisch (JaS)

»Neue Rechte Bewegungen, Fake News & Verschwörungsmythen rund um Covid 19«

So lautete der Titel einer Veranstaltung an der Heinrich-Thein-Schule in Haßfurt im Juli 2021, initiiert von der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) in Trägerschaft des BRK Kreisverbandes Haßfurt und dem Beauftragten für Demokratie und Toleranz der Heinrich-Thein-Berufsschule, Herrn Baierlein. Das Online-Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogrammes „Demokratie leben!“ und es beteiligten sich mehr als einhundert SchülerInnen.

Als Referentin für die Veranstaltung konnte Diplom-Sozialwirtin (Univ.) Birgit Mair vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung in Nürnberg gewonnen werden. Die 54-jährige beschäftigt sich seit mehr als dreißig Jahren mit den verschiedensten Auswüchsen von Rassismus und hat mehrere Bücher und Ausstellungen zu diesem Thema konzipiert und veröffentlicht. Sie arbeitet viel in Schulklassen und ihre Ergebnisse sind wissenschaftlich fundiert.

Onlineveranstaltung in der Berufsschule: Neue Rechte Bewegungen, Fake News und Verschwörungsmythen rund um Covid 19 - Birgit Mair in ihrem Büro (Foto: ISFBB)

Birgit Mair in ihrem Büro (Foto: ISFBB)

Eingangs berichtete sie über die geschichtliche Entstehung von Verschwörungsmythen. Schon im späten Mittelalter hatten diese Hochkonjunktur. So wurde den Jüdinnen und Juden damals unterstellt, dass sie Hostien schänden und in einer Art Ritual Kinder ermorden würden. Der Antijudaismus, – der sich dahinter versteckt und sich über die Jahrhunderte hinweg implementiert hat, nimmt leider inzwischen auch in Deutschland wieder zu. Rechte Gruppierungen machen sich heute die Unsicherheit von Menschen zu Nutze und verbreiten antisemitische Verschwörungserzählungen zum Thema Impfen und Covid 19. Ein Brandbeschleuniger für Fake News und Halbwahrheiten sind soziale Medien, die in der Corona-Pandemie enormen Zuwachs erfuhren.

Verschwörungsideologien gehen davon aus, dass nichts durch Zufall geschieht und dass alles miteinander verbunden ist. Hinzu kommt der Glaube, dass es im Geheimen operierende Gruppen gebe, die Verschwörer, die einen systematischen Plan verfolgen, um die Kontrolle über Institutionen, ein Land oder gar die ganze Welt zu übernehmen. Die Referentin nannte Beispiele für Verschwörungsmythen, Fake News und Halbwahrheiten rund um Covid-19. So wurde in der Anfangsphase der Pandemie behauptet, das Coronavirus sei in einem chinesischen Labor gezüchtet und absichtlich verbreitet worden. Die Geschichte, dass Bill Gates uns alle impfen und jedem geimpften Menschen einen Nanochip in den Körper einpflanzen wolle, wurde bereits zu einem Zeitpunkt behauptet, als es noch gar keinen Impfstoff gegen Covid-19 gab. Außerdem behaupteten einige Corona-RebellInnen auch, dass die neuen 5-G-Masten Schuld an der Verbreitung des Coronavirus seien. Die sogar von einigen Querdenker-Ärzten getätigte Einschätzung, Corona sei nicht gefährlicher als eine Grippe, fand Zuspruch bei vielen Menschen, die leider ohne erwiesene Studien solchen unhaltbaren Fakten Glauben schenken. Doch diese Einschätzung ist ebenso falsch wie die Behauptung, Menschen würden durch das Tragen von Masken sterben.

„Impfen“ oder „Nichtimpfen“ wurde hierzulande zum Politikum. Die Impfgegner-Szene habe einen starken Einfluss in der „Querdenker“-Szene, die hier die „alleinige Wahrheit“ für sich beansprucht und Impfwillige als „Schafe“ herabwürdigt. Auf Anti-Corona-Demonstrationen werden Parolen wie „Impfen macht frei“ gerufen und Judensterne getragen. Wer das Tragen von Masken oder die Impfung mit dem Holocaust vergleicht, verharmlost allerdings diese schrecklichen Verbrechen in der Nazi-Zeit.

Weiterhin ging Frau Mair auch auf die zahlreichen Internetplattformen ein, auf denen Verschwörungsmythen oder Fake News im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie verbreitet werden. Dabei bezog sie sich auf die Studie „Pandemic Populism“ in der 120000 Facebook-Seiten diesbezüglich analysiert wurden.

Mair sieht, dass sich die Szene zunehmend radikalisiert. Die anfänglichen „Hygienedemos“, die sich gegen die Maßnahmen der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Eindämmung der Corona-Virus-Pandemie richteten wurden zunehmend von der extremen Rechten und Neonazis unterwandert, antisemitische Äußerungen und Reichsbürgerideologie wurden zunehmend verbreitet. Die Vernetzung, Kommunikation und Organisation fanden überwiegend über den Telegram-Messenger statt. Die Esoteriker Szene, „friedensbewegte“ Putin-Befürworter, Pegida-Anhänger, Reichsbürger und Impfgegner, aber auch ganz normale Bürger demonstrierten gemeinsam. Die Bewegung bezeichnete sich nicht selten als geschlossene Gemeinschaft, die sich selbst weder als rechts noch links verorte. Im Widerspruch dazu stehen jedoch die zunehmende Militanz auf Kundgebungen und Demonstrationen z. B. die Bedrohung von Journalisten als Angehörige der „Lügenpresse“, antisemitische und rechte Parolen und Symbole sowie NS-Verharmlosung auf den Demonstrationen.

Auch Anhänger der QAnon-Bewegung nahmen regelmäßig an den Demonstrationen teil und trugen die entsprechenden T-Shirts mit weißem Kaninchen als Symbol für QAnon oder mit der Aufschrift wwg1wga („Where we go one we go all“) als Geheimcode und Erkennungssymbol. Diese Bewegung war auch an der Erstürmung des Capitols in den USA beteiligt. Auch der rechtsradikale Attentäter, der in Hanau im Februar 2020 zehn Menschen ermordete, propagierte Teile des QAnon-Mythos. In dieser antisemitischen Erzählung wird behauptet, dass satanische Mächte, darunter auch Juden, Kinder in unterirdischen Lagern gefangen halten und foltern würden und dass aus den Körpern der Kinder „Adrenochrom“, ein angeblich verjüngender Stoff, gewonnen werde. Als Befreier der Kinder wurde in dieser verrückten Erzählung ausgerechnet der damalige US-Präsident Donald Trump präsentiert.

Im letzten Teil der Veranstaltung ging Frau Mair auf Handlungsstrategien im Umgang mit Fake News und Verschwörungstheorien rund um das Thema „Covid-19“ ein. Fake News und Geschichtsrevisionismus sollte man deutlich widersprechen mit Aussagen wie „Wir leben aktuell in Deutschland NICHT im Faschismus“ und „wer die momentane Situation mit der NS-Zeit vergleicht, verharmlost diese.“ Ein reflektierter Umgang mit Social Media und Medienkompetenz seien gefragt. Verlinkungen sollten nicht ungeprüft weitergeschickt werden, sondern über Faktencheck, correctiv.org oder andere seriöse Angebote geprüft werden. Die Gesellschaft muss Zivilcourage zeigen und sich politisch engagieren für demokratische Werte. „Mehr denken statt querdenken“ oder „Solidarität statt Verschwörungswahn“ sind Slogans, die auf Demonstrationen gegen die „Querdenker“ präsentiert wurden. Auf der persönlichen Ebene oder im sozialen Umfeld ist es wichtig, seinen eigenen Standpunkt klarzumachen, Rückfragen zu stellen, nach Quellen zu fragen, zwischen Person und Meinung zu unterscheiden, wenn möglich den Kontakt zu halten oder sich auch Hilfe holen bei Beratungsstellen wie der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus oder HateAid.

Die Veranstaltung wurde von den SchülerInnen als sehr erkenntnisreich und positiv bewertet. Besonders die Anregungen zum Umgang mit Fake-News und die empfohlenen Instrumente, um diese von echten Fakten zu unterscheiden, waren für die SchülerInnen sehr hilfreich. So können sie jetzt Zivilcourage zeigen, dementsprechend argumentieren und sich aktiv für Demokratie und Toleranz einsetzen.

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