Internationaler Deutschkurs am Mehrgenerationenhaus
als Beispiel lebendiger Integration
Haßfurter Tagblatt / Fränkischer Tag – 16.01.2013 – Sabine Meissner
Im Haßfurter Mehrgenerationenhaus lernen elf Personen aus zehn Ländern Deutsch. Sie bereiten sich auf ein Leben in ihrer neuen Heimat vor. Die Lehrerin Monika Hoffmann hat selbst Auslandserfahrung und vermittelt mehr als nur Sprache.
„Komm voran – stark mit Deutsch“ lautet der Titel eines Sprachkurses für Migrantinnen und Migranten im Mehrgenerationenhaus (MGH) in Haßfurt. Damit bietet die Einrichtung, die unter der Trägerschaft des Roten Kreuzes (Kreisverband Haßberge) nach Deutschland zugewanderten und im Kreis Haßberge lebenden Menschen Sprach- und Alphabetisierungskurse an.
„Menschen mit Migrationshintergrund“ heißen diese Personen im Amtsdeutsch und machen damit gleich die erste Erfahrung mit einem Wort, das eigentlich einer anderen Sprache entliehen ist. Aus dem lateinischen migratio, das so viel wie (Aus-)Wanderung oder Umzug bedeutet, ist der Begriff abgeleitet. Alles andere als sachlich im Sinne von emotionslos ist jedoch die Atmosphäre dieses Kurses, der seit einigen Monaten läuft.
In kleinen Gruppen werden die Teilnehmer mit der Sprache, Schrift, Land und Leuten anhand täglicher Situationen vertraut gemacht. „Der Deutschkurs ist eine tolle Sache und wird sehr gut angenommen“, berichtet Monika Hoffmann aus Prappach. Sie leitet engagiert den Kurs, der für die Teilnehmer kostenlos ist. Außer ihrer Muttersprache Deutsch beherrscht Hoffmann, die selbst mehrere Jahre mit ihrer Familie im Ausland lebte, auch Englisch und Spanisch sowie etwas Italienisch. Das erleichtert den anfänglichen Kontakt mit den Teilnehmern, die erst wenig Deutsch sprechen können. Jeden Montagvormittag unterrichtet sie zweieinhalb Stunden Sprache und beantwortet darüber hinaus viele Fragen des täglichen Lebens ihrer elf Schützlinge aus zehn verschiedenen Ländern.
Viele Sprachen
Wie verständigen sich Menschen, deren Muttersprachen so grundverschieden sind und die erst nach und nach die Sprache ihrer neuen Heimat erlernen? „Im Kurs wird überwiegend Deutsch gesprochen“, erklärt Hoffmann, „wobei ich den Spanisch‑, Italienisch- und Englisch-Muttersprachlern oft mit Übersetzungen oder Erklärungen helfen kann“. Die russisch, polnisch, bulgarisch oder rumänisch sprechenden Frauen helfen sich bei Unklarheiten untereinander, was gut funktioniere. Ab und zu etwas in den jeweils anderen Sprachen zu hören, klingt für alle sehr interessant, auch für die international erfahrene Kursleiterin.
Als Lehrerin sieht sich Hoffmann gar nicht, eher als Partnerin im Begreifen der neuen Gegebenheiten. „Auch wir wohnen erst seit zweieinhalb Jahren in Haßfurt“, sagt sie. „Meine Familie und ich haben vorher zwölf Jahre im Ausland gelebt, davon sieben in Guadalajara in Mexiko und fünf im spanischen Bilbao. Wir fühlen uns hier sehr wohl, unsere Kinder gehen in Haßfurt zur Schule, mein Mann arbeitet in Schweinfurt.“
Bevor die Familie 1998 ins Ausland gezogen ist, wohnte sie in Würzburg. Monika Hoffmann ist diplomierte Biologin, aber seit mehr als zwölf Jahren als Deutsch- und Spanisch-Lehrerin tätig. „Das bereitet mir viel Freude“, sagt sie.
Die Kursteilnehmer im MGH kommen nicht nur aus unterschiedlichen Ländern, sondern auch aus sehr verschiedenen Berufen. Nina Kaimova war in ihrem Heimatland Kasachstan als Lehrerin tätig. Kinga Fortuniak aus Polen ist ausgebildete Altenpflegerin und betreut Demenzkranke, mit denen sie sich noch besser, als es ihr bisher möglich ist, in Deutsch verständigen möchte. Deshalb besucht sie den Kurs. Andere haben noch keine Berufsausbildung oder ein Studium abgebrochen. Einige Frauen haben kleine Kinder und möchten bald wieder berufstätig sein. Eine Studentin wird in ihr Heimatland zurückkehren, um dort das Studium zu beenden. Im September will sie zu ihrem Haßfurter Freund zurückkehren und dann weiter Deutsch lernen. Der einzige Mann im Kurs kommt aus Mexico und ist mit einer Deutschen verheiratet.
Glücksfall
Für Koordinatorin Gudrun Greger, die Leiterin des Mehrgenerationenhauses, ist es „ein Glück, dass Monika Hoffmann ihre Sprachkenntnisse und Lebenserfahrungen in das MGH-Projekt ‚Stark für Erfolg‘ einbringt“. Der Deutschkurs ist Bestandteil dieses bundesweiten MGH-Projektes, das Kinder und Jugendliche bei Bildungsübergängen begleitet. „Wir legen den Fokus aber auf die ganze Familie, insbesondere die Frauen“, erläutert Greger, „denn wenn in den Familien deutsch gesprochen wird, dann profitieren alle“. Parallel zum Kurs steht Lilyana Zösch vom MGH für alle sonstigen Fragen beratend zur Seite.
Der MGH-Sprachkurs sei, so betont Greger, keine Konkurrenz zu den Angeboten von Bildungsträgern, da er durch Geben und Nehmen charakterisiert werde und aus dem Patenschaftsgedanken entstanden sei. Nina Kaimova beispielsweise, die sich ebenfalls ehrenamtlich im MGH betätigt und ihrerseits in anderen Programmen, wie der Kinderbetreuung, mitarbeitet, ist ein „Patenkind“ von Barbara Kratky aus Oberaurach. „Frau Hoffmann hat mittlerweile vier Patenkinder bei uns“, freut sich Gudrun Greger. „Alle betreut sie ehrenamtlich und gibt außerdem bei der Volkshochschule Spanisch“. Ihr sensibles Vorgehen sei für den Kurs von unschätzbarem Wert. Es ermuntere auch diejenigen, die noch nicht gut Deutsch können, ihre Fragen zu stellen. Auch zeitlich geht Hoffmann auf die unterschiedlichen Belange ein. So etwa kann Carlos Rodriguez, der Schicht arbeitet, alle zwei Wochen teilnehmen.
Wer Kinder hat, kann sie mitbringen. Während des Unterrichts betreut sie das Team des MGH. Und nicht nur über die Kleinen haben sich Freundschaften entwickelt, die auch außerhalb der Kurszeiten und an anderen Orten gepflegt werden, quasi als gelebte Integration.
Baldmöglichst soll die Gruppe geteilt werden, deshalb können weitere Interessenten neu einsteigen. Es wird dann eine Anfängergruppe und eine Fortgeschrittenengruppe geben. Wer mitmachen möchte, soll sich einfach persönlich oder telefonisch im MGH melden.