Fränkischer Tag – 06.05.2015 – René Ruprecht
Im Eberner BRK-Mehrgenerationenhaus treffen sich wöchentlich eifrige Strickerinnen, um ihrem Hobby gemeinsam zu frönen. Die Gruppe will jetzt auch Flüchtlingsmütter mit Babygarnituren unterstützen.
3200 Meter, das ist die exakte Entfernung vom BRK-Mehrgenerationenhaus Ebern zum Schloss Eyrichshof, wenn man durch die Eberner Innenstadt fährt. Mit dem Auto braucht Lydia Dicker aus Hemmendorf für diese Strecke ungefähr fünf Minuten, zu Fuß eine knappe Stunde. Für ihren gerade angefangenen grünen langen Trachtenmantel wird die leidenschaftliche Strickerin mehrere Wochen benötigen. Insgesamt 1600 Gramm Baumwolle wird sie dabei verarbeiten; umgerechnet sind das 3,2 km Garn aus 16 Knäueln für die Größe 42–44.
Dass man mit Nadeln und Wolle Wunder tun kann, beweisen die Frauen beim Nadelzauber jede Woche montags ab 19 Uhr in der MGH-Außenstelle Ebern im Gewerbepark „Alte Kaserne“. Der Grund für die Teilnahme von Lydia Dicker ist nicht nur die Handarbeit, sondern auch die lockere „Unterhaltung in der Gemeinschaft, die Spaß macht, einfach aus dem Alltag rauskommen.“ Egal ob jung oder alt, wer Freude am Handarbeiten hat oder es lernen möchte, kann seine Kreativität mit Stricken, Häkeln und Sticken sowie mit Bastelideen in einer gemütlichen Runde ausleben.
Vorbild kommt aus Haßfurt
Die Idee kommt von der „großen Schwester“ Lichtstube in Haßfurt, die seit vier Jahren besteht. Die beiden Mütter Nicole Welsch (35 J.) und Kathrin Lurz (32 J.) aus Ebern und Unterpreppach besuchten Ende des letzten Jahres die Haßfurter Strickgemeinschaft und waren prompt begeistert: „Sowas können wir doch auch bei uns in Ebern machen“, erinnerte sich Welsch an die Geburtsstunde von Nadelzauber. Seit Anfang Februar verzaubern die engagierten Gründerinnen mittlerweile mit bis zu acht Gleichgesinnten mit der Nadel die Wolle wie auch die Menschen oder auch sich selbst mit den fertig gestrickten Unikaten.
Die Gründerin der Haßfurter Strickgruppe, Ingrid Thieler aus Wülflingen, besuchte mit sieben Stammstrickerinnen der Lichtstube am Montag den Nadelzauber und brachte auch eine Wollspende mit. Neben dem Kennenlernen wurde gemeinsam gestrickt, gelacht, Wissen ausgetauscht und über Strickmethoden geplauscht. An Akkordarbeit denkt keiner, trotzdem gibt es auch flinke Hände unter den Strickerinnen. Und wenn eine Strickerin die Handarbeit komplett ausfallen lässt, ist es auch kein Problem. Verpflichtung und Zwang sind hier fehl am Platz.
Anregung aus den Niederlanden
Greet Drews (69) zeigte spontan den „Schwestern vom Nadelzauber“, wie die holländische Strickmethode funktioniert. Sie kommt ursprünglich aus den Niederlanden und zog vor 13 Jahren von Hamburg nach Unterhohenried. Sie hält die strickende Gemeinschaft für eine tolle Möglichkeit für zugezogene Menschen, die sich schwer tun, Anschluss in der neuen Heimat zu finden. „Das wichtigste ist, dass es die Kommunikation gibt“, so Drews. Die aus Würzburg stammende Regina Hofmann war von Spanien nach Haßfurt gezogen und ist froh, viele Freundinnen beim Stricken gefunden zu haben.
Eine interessante Idee ergab sich für die Besucherinnen, als die „Nadelzauberinnen“ von ihrem Workshop Wollefärben erzählten: „Es hat sehr viel Spaß gemacht, auch wenn manche Farben nicht ganz geklappt haben“, so Welsch. „Ich war der Meinung, dass aus Grün und Blau die Farbe Türkis entsteht. Jetzt muss ich schauen, wofür ich die dunkle jagdgrüne Wolle einsetze“, erzählte lachend Bettina Grader aus Maroldsweisach.
Auch die Idee von der Wickeltechnik beim Wollefärbe, um eine dekorative und mehrfarbliche Wolle zu kreieren, kam bei den Kreisstädterinnen gut an, die zugleich über die Ergebnisbeispiele staunten. Auch die älteste Stammstrickerin Waltraud Tomtzek (85 J.) aus Haßfurt war mit von der Partie und erzählte stolz, dass Sie vor ein paar Tagen zwei Säcke voller Wolle geschenkt bekommen hatte.
Wollspenden willkommen
Die Strickerinnen sind froh, dass die Bevölkerung, Freunde und Nachbarn Wolle spenden. Die Lichtstube strickt seit zwei Jahren Babygarnituren für den Verein „Haßfurt hilft“, der zweimal im Jahr eine Missionsstation in Fushë-Arrëz, einer der ärmsten Gegenden in Albanien, mit Hilfsgütern versorgt. Die MGH-Ansprechpartnerin von der Außenstelle Ebern, Lisa Geyer, erklärte, dass man auch die Flüchtlingsmütter im Landkreis mit Babygarnituren unterstützen möchte: „Einfach bei uns im Mehrgenerationenhaus melden, wenn Bedarf für die Neugeborenen von Flüchtlingen besteht.“
Fotos: René Ruprecht. (Veröffentlichung mit freundl. Genehmigung)
Für Interessenten ist das Nadelzauberteam offen, auch geht man gerne auf andere Termine als montags ab 19 Uhr ein.