»Die Hauptsache ist, etwas zu tun«

Für Abwechslung im Demenz-Alltag“ sorgt das Musikkaffee“ im Mehrgenerationenhaus

Haß­fur­ter Tag­blatt – 20.10.2015 – René Ruprecht

Die Haupsache ist, etwas zu tun. (Foto: René Ruprecht)

Alle acht Wo­chen tref­fen sich Men­schen mit De­menz und de­ren An­ge­hö­ri­ge zur Live-Mu­sik im Haß­fur­ter Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­haus. Für die An­sprech­part­ne­rin Lisa Gey­er (vor­ne) von der BRK-Fach­stel­le für pfle­gen­de An­ge­hö­ri­ge ist es be­son­ders wich­tig, dass Be­trof­fe­ne eine kos­ten­lo­se und neu­tra­le Be­ra­tung wie auch eine Ent­las­tung und Be­treu­ung er­hal­ten. (Foto: René Ruprecht)

Weg vom Geist“ bzw. ohne Geist“ ist die wört­li­che Über­set­zung von dem la­tei­ni­schen Be­griff De­menz“. In Deutsch­land sind rund 1,6 Mil­lio­nen Men­schen an De­menz er­krankt, bay­ern­weit lei­den über 220 000 Bür­ger an der Krank­heit. Wäh­rend im An­fangs­sta­di­um Stö­run­gen im Kurz­zeit­ge­dächt­nis statt­fin­den, ver­lie­ren die Er­krank­ten im wei­te­ren Ver­lauf im­mer mehr In­hal­te des Lang­zeit­ge­dächt­nis­ses und so­mit die im Le­ben er­wor­be­nen Fä­hig­kei­ten und Fertigkeiten.
 
Mei­ne Mut­ter Elli hat schon Mal eine Ser­vi­et­te im Mund ge­habt, weil sie dach­te, dass man es es­sen kann“, er­in­ner­te sich ihre 61-jäh­ri­ge Toch­ter Chris­ta Ficht aus Haß­furt und füg­te hin­zu, dass es ein 24-Stun­den-Job ist, den man nicht un­ter­schät­zen darf. Mei­ne Mut­ter ist wie ein klei­nes Kind, ich muss stän­dig nach ihr schau­en“. Auch wenn es viel Kraft für die be­treu­en­den An­ge­hö­ri­gen kos­tet, küm­mert sich die Toch­ter ger­ne um ihre Mut­ter, die seit 15 Jah­ren an De­menz er­krankt ist. Ich ver­su­che Ab­wechs­lung in ihr Le­ben zu brin­gen und sie zu för­dern.“ Weil die 92 Jah­re alte Mut­ter Elli frü­her ger­ne ge­tanzt und ge­sun­gen hat, steht so­mit Mu­sik an obers­ter Stel­le für die bei­den Un­zer­trenn­li­chen“.

Im ver­gan­ge­nen Mo­nat stand na­tür­lich das vom Haß­fur­ter BRK-Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­haus or­ga­ni­sier­te Mu­sik­kaf­fee“ am Nach­mit­tag auf dem Pro­gramm. Alle acht Wo­chen tref­fen sich Men­schen mit De­menz und de­ren An­ge­hö­ri­ge zur Live-Mu­sik, Kaf­fee und Ku­chen von der Be­rufs­fach­schu­le Er­näh­rung und Ver­sor­gung Haß­furt. Man tausch­te sich aus, lach­te und tanz­te zur Mu­sik von Al­lein­un­ter­hal­ter Ri­chard Ge­ber aus Kirch­lau­ter, der sich Prat­schers Mu­sik mit Herz & See­le“ nennt und tanz­fröh­li­che Lie­der wie Aus Haß­furt kommt die Mu­sik“, Grie­chi­scher Wein“ und Lie­bes Mä­del“ spiel­te und sang. Auch Ma­ria Heim (72 Jah­re) aus Zeil kam nicht zum ers­ten Mal mit ih­rem Ehe­mann Er­win (81), der seit neun Jah­ren an De­menz lei­det. Auch wenn mein Mann kaum noch spricht, die Mu­sik tut ihm gut. Er kennt die Lie­der, ab und zu singt er mit und pfeift die Me­lo­die mit“, so Ma­ria. Der Mon­tag­nach­mit­tag war wie­der ein­mal ge­müt­lich, man kann auch Leu­te ken­nen­ler­nen und es ist vor al­lem eine klei­ne Ent­las­tung für mich, wenn auch nur für zwei Stunden“.
Musikkaffee (Foto: René Ruprecht)

Das Mu­sik­kaf­fee im Café Bis­tro des Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­haus Haß­furt ist ein viel­sei­ti­ges An­ge­bot, das ger­ne ge­nutzt wird. Bei Kaf­fee und Ku­chen wird Mu­sik ge­hört, mit­ge­sun­gen, ge­tanzt und ge­plau­dert (Foto: René Ruprecht).

Dass die De­menz-Dia­gno­se schwie­rig ist, hat Ma­ria selbst an ih­rem Gat­ten er­fah­ren müs­sen: Am An­fang habe ich es nicht ge­merkt, aber ir­gend­wann häuf­ten sich die Wort­fin­dungs­schwie­rig­kei­ten und Ori­en­tie­rungs­pro­ble­me.“ Der Weg zum Arzt brach­te dann die er­nüch­tern­de Er­kennt­nis über den schlei­chen­den Be­ginn der De­menz. Ge­dächt­nis­lü­cken bis zum hoch­gra­di­gen Weg­fall der Er­in­ne­run­gen, Stim­mungs­schwan­kun­gen, Ab­nah­me der Lern- und Re­ak­ti­ons­fä­hig­keit wie auch Sprach­schwie­rig­kei­ten und Ori­en­tie­rungs- und Mo­to­rik­stö­run­gen sind deut­li­che Sym­pto­me ei­ner Demenzerkrankung.
 
Die Haupt­sa­che ist, et­was zu tun“, weiß Chris­ta Ficht als Lö­sung, die so vie­le Mu­sik­ver­an­stal­tun­gen wie nur mög­lich mit ih­rer Mut­ter Elli be­sucht. Bei schlech­tem Wet­ter steht Knif­fel-Wür­fel­spiel auf dem Plan wie auch Mo­to­rik­übun­gen mit Ball­spie­len oder Ge­mü­se­schnip­peln“. Das Ehe­paar Heim aus Zeil geht ger­ne an der fri­schen Luft spazieren.

Für Ab­wechs­lung im De­menz-All­tag“ sorgt das nächs­te Mu­sik­kaf­fee“ am 14. De­zem­ber ab 15.00 Uhr im BRK-Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­haus am Haß­fur­ter Markt­platz im haus­ei­ge­nen Café Bis­tro Of­fe­ner Treff“. Für die An­sprech­part­ne­rin Lisa Gey­er von der BRK-Fach­stel­le für pfle­gen­de An­ge­hö­ri­ge ist es be­son­ders wich­tig, dass Be­trof­fe­ne eine kos­ten­lo­se und neu­tra­le Be­ra­tung wie auch eine Ent­las­tung und Be­treu­ung er­hal­ten. Ein wich­ti­ger Schritt für die Pfle­ge­be­reit­schaft und die Pfle­ge­fä­hig­keit im Land­kreis Haß­ber­ge mit Hil­fe ei­nes Be­treu­ungs­netz­wer­kes zu verbessern.

Nicht ohne Grund hat die MGH-Fach­stel­le die Aus­schrei­bung Lo­ka­le Al­li­an­zen für Men­schen mit De­menz“ ge­won­nen, das vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Fa­mi­lie, Se­nio­ren, Frau­en und Ju­gend ge­för­dert wird. Das kla­re Ziel der Al­li­anz ist, den All­tag von Men­schen mit De­menz und den An­ge­hö­ri­gen dau­er­haft zu ver­bes­sern und auch die Ge­sell­schaft zu sen­si­bi­li­sie­ren, dass Men­schen mit der Krank­heit De­menz nicht aus­ge­grenzt wer­den, son­dern in das nor­ma­le Le­ben in­te­griert wer­den“, so Gey­er. Beim Mu­sik­kaf­fee“ hel­fen ne­ben dem MGH-Team auch frei­wil­li­ge Mit­wir­ken­de und Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner mit.

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