25. Januar 2013
Nachdem das Mehrgenerationenhaus Haßfurt für das Projekt Bildungspatenschaften „Engagement macht stark“ im Jahre 2011 zu den zehn Finalisten des DRK Ehrenamtspreises gehörte, erhielt es nun noch eine weitere Auszeichnung durch das DRK Generalsekretariat in Berlin: Das Projekt wird in der soeben erschienenen Publikation „Soziales ehrenamtliches Engagement im DRK“ mit einer Projektbeschreibung und zwei Interviews vorgestellt:
Seiten 11–13, © 2012 DRK Berlin
Bildungspatenschaften „Engagement macht stark„des BRK-Kreisverbandes Haßberge
Interview mit Andreas Heinrich
Interviewpartner: Andreas Heinrich
21 Jahre alt, geboren in Astrachanka, Kasachstan, lebt seit 1998 in der Bundesrepublik Deutschland, Auszubildender zur Fachkraft der Lagerlogistik
Wie kam es dazu, dass Sie sich ehrenamtlich engagieren?
Ich habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, mich zu engagieren, ohne dafür einen materiellen Gegenwert zu bekommen. In diesem Sinne haben mich meine Familie und mein Freundeskreis beeinflusst.
Warum engagieren Sie sich im DRK?
Von meiner Freundin hörte ich von den Bildungspatenschaften des DRK und habe dann im Internet gezielt danach gesucht. Es ist auch ein unterstützendes Angebot für Kinder mit Migrationshintergrund. Seit etwa einem halben Jahr bin ich jetzt dabei.
Als meine Familie und ich vor 14 Jahren nach Deutschland kamen, hat uns das DRK sehr geholfen. Die Mitarbeitenden des Roten Kreuzes füllten mit uns Dokumente aus, wir bekamen Kleidung und Spielsachen.
Im Mehrgenerationenhaus sind wir ein super Team. Wir verstehen uns prima, und ich bekomme Unterstützung und Tipps für mein Engagement.
Beschreiben Sie bitte genau und anschaulich, was Sie tun.
Im Mehrgenerationenhaus mache ich zwei, eigentlich sogar drei Dinge:
Am Computer-Mittwoch erkläre ich älteren Menschen zweimal im Monat den Umgang mit Handy, Internet und Digital-Kamera.
Als Bildungspate kümmere ich mich außerdem einmal pro Woche für zwei Stunden um einen sechsjährigen Jungen, der in diesem Jahr in die Schule gekommen ist. Seine Familie stammt aus Russland. Bereits vor seiner Einschulung habe ich ihm vorgelesen und er hat es selber probiert. Zwischendurch spielen wir oft auch spezielle pädagogische Spiele, die ihm ebenfalls helfen sollen, die deutsche Sprache besser zu lernen. Vor allem diese gemeinsamen Spiele sind sehr wichtig für ihn, denn sie machen besonders viel Spaß und helfen ihm, sich wieder auf das Lesen zu konzentrieren, denn zwei Stunden sind für einen kleinen Jungen eine lange Zeit.
Zusätzlich habe ich meine Hilfe für ein neues Projekt, den „Russischen Donnerstag“, angeboten. Gemeinsam mit einer ausgebildeten Russischlehrerin wollen wir unsere Muttersprache erhalten und pflegen. Auch ich selbst möchte meine Zweisprachigkeit auf diesem Wege noch verbessern und hoffe, es später auch beruflich nutzen zu können. Ich finde es prima, wenn sich mein Engagement und mein persönliches Fortkommen so ergänzen.
Was ist für Sie das Wichtigste bei Ihrem Engagement?
Wichtig ist für mich erstens, mich ehrenamtlich ohne Geld zu engagieren. Zweitens lerne ich interessante Menschen mit sozialer Ader kennen, von denen ich viel lerne. Und drittens macht mir das Engagement viel Spaß – deshalb nehme ich mir auch die Zeit dafür.
Was macht Ihnen besondere Freude?
Wenn mich mein „Patenjunge“ etwas fragt und ich ihm etwas erklären kann, was ihm noch keiner zuvor erzählt hat, dann freut mich das ganz besonders. Auch der herzliche Dank seiner Großeltern berührt mich immer wieder sehr. Es ist einfach ein schönes Gefühl, etwas Gutes zu tun.
Die gute Atmosphäre im Mehrgenerationenhaus spielt für mich ebenfalls eine große Rolle. Wir sind dort wie eine große Familie – es ist stets ein gegenseitiges Geben und Nehmen.
Was wünschen Sie sich – bezogen auf Ihr Engagement?
Ich wünsche mir, dass die Kinder mit meiner Hilfe besser ins Leben starten können. Mit meinem Engagement möchte ich außerdem einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen in Deutschland weniger ich-bezogen sind, sondern wir eine Gesellschaft werden, in der die Menschen füreinander da sind.
Interview mit Lilyana Zösch
Interviewpartnerin: Lilyana Zösch
33 Jahre alt, geboren in Bulgarien, lebt seit 2006 in der Bundesrepublik Deutschland, Bachelor als Kauffrau sowie Magisterabschluss in Internationalen Wirtschaftsbeziehungen.
Wie kam es dazu, dass Sie sich ehrenamtlich engagieren?
Bereits als Kind kaufte ich große Tüten mit Süßigkeiten und gab anderen Kindern davon ab. Ich wuchs in einem Hochhaus mit vielen Familien und sehr vielen Kindern auf. Wenn ich abgebe, bzw. mit anderen teile, dann ist das gut für meine Seele. Ich fühle, wie es mich erfüllt.
Warum engagieren Sie sich im DRK?
Ich kannte das Rote Kreuz zwar schon aus Bulgarien, aber der Kontakt zum DRK in Deutschland war doch eher ein Zufall. Das Mehrgenerationenhaus des Bayerischen Roten Kreuzes wurde im Gebäude der Bibliothek gerade eingerichtet, und ich war auf dem Weg, mir ein Buch auszuleihen. Mein Sohn im Krabbelalter war fasziniert von den Renovierungsarbeiten und steuerte schnurstracks auf das offen stehende Büro des Mehrgenerationenhauses zu. Ich lief ihm hinterher und wurde so freundlich angesprochen, dass ich seitdem aktiv dabei bin. Das geschah 2008. Im Eingang stand ein Schild mit der Aufschrift „Wir suchen Sie“. Ich erwiderte darauf: „Wenn Sie mich suchen, dann haben Sie mich gefunden.“
Der gute Eindruck der ersten Ansprache ist geblieben. Es ist ein tolles Team im Mehrgenerationenhaus. Man nimmt sich immer Zeit, ist freundlich und warmherzig. Auch wenn etwas mal nicht so klappt, wird man immer aufgebaut und gestützt.
Beschreiben Sie bitte genau und anschaulich, was Sie tun.
Ich habe hier schon vieles gemacht. In den ersten Jahren leitete ich die Baby- und Kleinkindgruppe und initiierte dazu noch eine Baby-Sportgruppe. Ende 2009 gründete ich eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Migrationshintergrund „Hilfreiche Hand für Migranten“. Hier treffen sich überwiegend Mütter. Seit 2011 nehme ich regelmäßig am „Frühstücksbüffet“ teil. Durch diesen Stammtisch habe ich viele gute Freunde gefunden.
Ebenfalls seit 2011 bin ich Bildungspatin für ein Mädchen, das damals die 4. Klasse besuchte. Ich unterstütze die heutige Sechsklässlerin besonders in Mathematik.
Mein jüngstes Projekt, an dem ich teilnehme, ist die sogenannte „Lichtstube“: In gemütlicher Atmosphäre stricken wir und fertigen andere Handarbeiten. Verschiedene Generationen mit und ohne Migrationshintergrund treffen sich in der Lichtstube. Gerne kommen auch meine sechsjährige Tochter und mein fünfjähriger Sohn mit. Ich verbringe viel Zeit im Mehrgenerationenhaus, mindestens fünf Stunden pro Woche.
Was ist das Wichtigste bei Ihrem Engagement?
Wichtig ist für mich die Möglichkeit, neue Menschen kennen zu lernen. Mit meinem Engagement bereichere ich nicht nur andere, sondern auch mich selbst.
Was macht Ihnen besondere Freude?
Gerade bei den Bildungspatenschaften haben wir klar benannte Ziele. Wenn ich diese Ziele erreiche, z.B. eine Verbesserung der Noten, freut mich das ganz besonders.
Insgesamt möchte ich mit meinem Tun die Herzen der Menschen erreichen.
Was wünschen Sie sich – bezogen auf Ihr Engagement?
Ich wünsche mir mehr gesellschaftliche Anerkennung des Engagements. Das könnte sich z.B. zeigen in der steuerlichen Anerkennung oder bei der Anrechnung auf die Rentenzeiten.
Projektbeschreibung
Das Patenschaftsprojekt „Engagement macht stark“ wurde im Jahr 2009 im Mehrgenerationenhaus Haßfurt des BRK-KV Haßberge ins Leben gerufen.
Mit dem Projekt soll das bürgerschaftliche Engagement gefördert werden. Insbesondere Menschen, die ihrerseits Hilfe erfahren haben, geben Unterstützung weiter und engagieren sich sozial.
Ziel der Patenschaften ist die gesellschaftliche Integration hilfsbedürftiger Menschen unabhängig von ihrem Alter und ihrer Herkunft. Es werden Angebote geschaffen, die allen Menschen die gleichen Chancen zu Bildung und zu sozialer Teilhabe geben sollen, um damit zu persönlichem Erfolg und positiven Erlebnissen beizutragen.
Das Projekt richtet sich an Menschen aller Generationen mit und ohne Migrationshintergrund. Derzeit kümmern sich 36 Bildungspaten im Alter zwischen 9 und 74 Jahren um ihre „Patenkinder“. Unter ihnen sind einige Migranten und Migrantinnen, die aus Bulgarien, Russland, Marokko, Polen, Tschetschenien, Armenien, Afghanistan und der Elfenbeinküste kommen.
Die ehrenamtliche Tätigkeit umfasst die Unterstützung und Begleitung der Patenkinder bei sprachlichen, schulischen oder beruflichen Herausforderungen, ihre Integration in die gesellschaftlichen Strukturen und die Förderung sozialer Kontakte. Ergänzende Sprach- und Lesepatenschaften sollen die Deutschkenntnisse der Patenkinder in Wort und Schrift verbessern, Hilfe bei der Erledigung der Hausaufgaben wird gegeben. Außerdem werden die Eltern einbezogen. Alle diese Maßnahmen sollen die Stärken der Patenkinder hervorheben und ihre Eigenverantwortung fördern.
Aus dem Bildungspatenschaftsprojekt „Engagement macht stark“ sind inzwischen neue Patenschaftsprojekte wie z.B. „Boys@Work – Wir sind die Ingenieure von morgen“, „Computer-Mittwoch“ und das Patenschaftsprojekt für Schüler „Dance2Impress“ entstanden.