
Lehrerin Dagmar Mertl (2. v. li.) begleitet die Berufsfachschülerinnen bei ihren Aktvitäten im Rahmen des Projektes „Lernen durch Engagement“. Beim Treffen mit älteren Menschen im MGH zeigte sie einem Teilnehmer aus dem Altenheim Bayernstift, was die Schülerinnen für sie gebastelt hatten.
(Foto: Sabine Meißner)
Haßfurter Tagblatt – 02.01.2015 – Sabine Meißner
Haßfurt. Ist Engagement erlernbar? Was ist Demokratie, und wie verhält man sich sozial? Diese und andere Fragen stellten sich Pädagogen und im Ehrenamtsbereich Verantwortliche, die gemeinsam mit jungen Menschen deren sozialen Horizont erweitern und ihren Gemeinsinn fördern möchten.
In diesem Rahmen beteiligen sich das Mehrgenerationenhaus (MGH) und die Heinrich-Thein-Berufsschule an einem bundesweiten Netzwerk unter dem Motto „Lernen durch Engagement“ („LdE“). Das Ziel ist, Auszubildenden und deren Lehrern Möglichkeiten zu schaffen, gemeinsam Eigenschaften wie Demokratie- und Sozialkompetenz zu trainieren.
Für Edeltrud Spiegel, Fachbereichsleiterin an der Berufsfachschule, und Gudrun Greger, Leiterin des MGH, bezieht sich diese Kooperation beispielsweise auf die Vorbereitung junger Menschen im Umgang mit Senioren. Edeltrud Spiegel trägt Verantwortung für die Ausbildung in den Bereichen Ernährung und Versorgung (ehemals Hauswirtschaft) sowie Kinderpflege und Sozialpflege und erläutert, dass die vielseitige Ausbildung zum Assistenten für Ernährung und Versorgung auf Gäste aller Altersgruppen ausgerichtet sei. „Als Schule können wir nur das Wissen vermitteln“, meint sie. Das sind im Wesentlichen Grundlagen der Ernährung, Betriebswirtschaft, Haushaltstechnologie sowie die Gestaltung von Räumen, textiles Gestalten oder Deutsch und Kommunikation, aber auch Erziehung und Betreuung. Während es in der elften Klasse um das Themengebiet Kind gehe, liege der Schwerpunkt im zwölften Jahr auf der Betreuung von Senioren und Behinderten. „Deshalb ist das Projekt für die Schülerinnen und Schüler von großer Bedeutung“, erklärt die Pädagogin, denn „wirkliche Begegnungen mit Senioren“ seien dabei wichtig. In diesem Zusammenhang sei das Projekt im MGH entstanden. Es diene der Vorbereitung der jungen Fachkräfte auf ihre späteren Tätigkeiten. Einige würden als Assistenten für Ernährung und Versorgung schließlich mit Senioren zusammenarbeiten, etwa im Bereich der Sozialstationen oder als Präsenzkräfte in Hausgemeinschaften für Senioren.
Wo ließe sich der Umgang Jugendlicher mit Vertretern der älteren Generation besser „trainieren“ als im MGH, das sich das Zusammenleben von Menschen verschiedener Generationen auf die Fahnen geschrieben hat? Gudrun Greger hat eine einjährige nebenberufliche Qualifizierung als „Schulbegleiterin“ absolviert, die der MGH-Chefin im Rahmen des bundesweiten Projektes „LdE“ angeboten wurde. Das Zertifikat „externe Schulbegleiterin“ erhielt sie im Dezember in Hamburg. „Mit der Heinrich-Thein-Schule und Direktorin Heidrun Görtler besteht seit einigen Jahren eine Zusammenarbeit“, informiert Greger, daher habe sie die Schule als regionalen Partner für das „Projekt LdE“ im Heimatkreis vorgeschlagen. Ihre Ausbildung versetze sie nun in die Lage, zielgerichtet und qualifiziert „von außen“ die Lehrkräfte zu beraten. Nach dem Jahreswechsel werde ein Kooperationsvertrag geschlossen, auf dessen Basis die Berufsfachschule das „Lernen durch Engagement“ in den Lehrplan integriert.„ Die Aufnahme des LdE-Standortes Haßfurt in die bundesweite Datenbank der Kompetenzstandorte erfolgte im Dezember 2014“, gibt Greger bekannt. Netzwerkschulen in der Nähe existieren bereits, das sind zum Beispiel das Kaiser-Heinrich- sowie das Franz-Ludwig-Gymnasium in Bamberg.

Die Berufsfachschülerinnen Severine Martin aus Ebern (li.) und Jana Bräuter aus Haßfurt dankten dem Team des MGH im Namen der gesamten Klasse „Ernährung und Versorgung 12“. „Wir freuen uns, dass wir unser LdE-Projekt hier durchführen durften“, sagte Severine Martin zu Simone Geräusche (re.), „das bringt uns in der der Ausbildung weiter und macht beiden Seiten Freude“. (Foto: Sabine Meißner)
Den Monat Dezember nutzten Schülerinnen, um ihr Engagement im Projekt „LdE“ den älteren Menschen zugutekommen zu lassen. Im MGH haben sie gemeinsam mit Senioren Plätzchen gebacken und in einer anschließenden Weihnachtsfeier gegenseitig Gedichte vorgetragen und Weihnachtsmusik gehört. Das mag nicht aufregend klingen, aber sowohl den jungen als auch den älteren Menschen brachte es neben Freude auch neue Erfahrungen. „So ein Treffen bringt uns in der Ausbildung weiter“, sagte Severine Martin aus Ebern, „es ist eine Bereicherung, mit den Seniorinnen und Senioren gemeinsam etwas zu tun und im Gespräch zu erfahren, wie es ihnen geht.“ Jana Bräuter aus Haßfurt sagte: „Wir haben viel dabei gelernt, zum Beispiel den Umgang mit lebenserfahrenen Menschen, denn nicht jeder hat eine Oma oder einen Opa.“ Andererseits hätten die Senioren oft keine Gelegenheit, mit ihren Enkelkindern Plätzchen zu backen. „Es machte total Spaß, weil wir gemerkt haben, dass es beiden Seiten wirklich Freude bereitete und wir voneinander etwas lernen konnten“, sagten die Schülerinnen.
Die Zukunft biete weitere Möglichkeiten, erläutert Greger. Im Rahmen des Projektes „LdE“ könnten sich die Jugendlichen innerhalb oder außerhalb der Schule für andere Menschen einsetzen, etwa in der Hausaufgabenbetreuung. Extern sei Engagement in einem Altenheim oder im Kindergarten sowie bei Lese- und Bildungspatenschaftsprojekten oder bei der Alltagsbegleitung für Hochbetagte möglich. „Die Jugendlichen planen ihr Projekt mit, setzen es selbstständig um und dokumentieren und präsentieren es abschließend selbständig“, erläutern die Kooperationspartner.
Hintergrund: „Lernen durch Engagement“ (engl.: Service-Learning) ist eine Methode des Lernens durch Handeln und gehört zur „Civic Education“, einer in den USA verbreiteten pädagogischen Methode. Dabei werden fachliche Inhalte so vermittelt, dass der Lerneffekt bei der Arbeit in gemeinnützigen Projekten eintritt. In der Bundesrepublik wird „Lernen durch Engagement“ („LdE“) als gesellschaftliche Verpflichtung von Schülerinnen und Schülern in Verbindung mit fachlichem Lernen verstanden. Im Rahmen von „LdE“-Projekten setzen sich junge Menschen für soziale, ökologische, kulturelle oder politische Belange ein. Ihr Engagement wird im Unterricht geplant und die Erfahrungen, die sie bei ihrem Einsatz für andere Menschen und die Gesellschaft sammeln, werden reflektiert und mit Inhalten von Bildungs- und Lehrplänen verknüpft. Ziel:„LdE“ zielt auf praktische Wissensanwendung und produktives Einbringen in die Gesellschaft. Schüler sollen Inhalte umfassender verstehen lernen und damit motivierter, selbstbewusster und leistungsstärker werden. Vorgehensweise: Schulen öffnen sich nach außen, entwickeln ein Klima der Kooperation und verstärken die individuelle Förderung ihrer Schüler. Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) unterstützt seit 2012 das Vorhaben mit einer Qualifizierung von „LdE-Schulbegleitern“ und beabsichtigt eine Ausweitung des Netzwerkes sowie die Gewinnung neuer „LdE-Kompetenzzentren“. Finanzierung: Gefördert wird „LdE“ durch die 1984 gegründete Freudenberg Stiftung, Weinheim, und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Kennzeichnend für die Freudenberg Stiftung ist langfristiges Engagement in ausgewählten Partnerstädten. Jährlich vergibt die Stiftung, deren satzungsgemäßer Stiftungszweck die Förderung von Wissenschaft, Erziehung und Bildung sowie die Stärkung des friedlichen Zusammenlebens in der Gesellschaft ist, etwa 2,5 Millionen Euro. Internet: www.lernen-durch-engagement.de |