Haßfurter Tagblatt – 09.11.2013 – Sabine Weinbeer
HASSFURT. Welche Chancen bietet der Arbeitsmarkt Frauen, die den Wiedereinstieg suchen? Wie kann ich meine Chancen durch mein Auftreten und meine Bewerbungsmappe verbessern? Welche Qualifikationen aus der Familienzeit kann ich für meine berufliche Zukunft ummünzen? Wer greift mir organisatorisch unter die Arme, wenn ich wieder Vollzeit arbeite? Diese und viele andere Fragen beantwortete der Aktionstag „Wiedereinstieg leicht gemacht“, der gestern im Mehrgenerationenhaus in Haßfurt stattfand.
Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Christine Stühler, die Agentur für Arbeit und das „Netzwerk Wiedereinstieg Main-Rhön“ veranstalteten mittlerweile zum zweiten Mal diese Info-Börse, bei der Frauen geballte Information sammeln konnten.
Der Arbeitsmarkt sehe vordergründig gerade auch im Bezirk Haßfurt sehr gut aus, so Klaus Seebach von der Agentur für Arbeit. Auch die Erwerbstätigen-Quote von Frauen sei in den letzten Jahren von 44 auf 50 Prozent gestiegen, doch noch immer müssten Frauen viele Hürden überwinden, wenn sie nach einer Familienphase wieder ins Berufsleben zurückkehren wollen.
Dabei geht es oft nicht einmal um die Qualifikation oder die Dauer der Berufspause, sondern um die Frage, wie man die Familie organisiert, wenn frau wieder arbeiten geht. Sind die Kinder aus dem Haus, zeichnet sich oft schon die Pflege eines Elternteils ab. Deshalb waren auch die Beratungsstelle für pflegende Angehörige und das Familienbüro stark frequentierte Anlaufstellen.
Der Landkreis selbst sei sehr bemüht darum, Frauen beim Wiedereinstieg zu helfen. Als Arbeitgeber zeichnet sich der Kreis durch sehr flexible Arbeitszeitmodelle aus, so stellvertretender Landrat Günther Geiling. Auch beim Ausbau der Kinderbetreuung sei der Landkreis Haßberge Vorreiter, sowohl mit Kindertagesstätten, als auch im Bemühen um qualifizierte Tagesmütter. Dennoch seien Kinder noch immer das größte Hemmnis für Mütter, berufstätig zu sein. So bezögen im Landkreis 270 Alleinerziehende Grundsicherung.
Voller Interesse strömten die Frauen dann an die einzelnen Stationen, wo es allgemeine Informationen, aber auch sehr viel Einzelberatung gab. Jede hatte eine sehr individuelle Geschichte. Hier die junge Mutter, die eigentlich nur morgens von 8.00 bis 12.00 Uhr arbeiten kann, „eine solche Stelle, noch dazu im Büro, ist aber der Hauptgewinn“, so Doris Küfner-Schönfelder. Sie informierte in Vorträgen über die aktuellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Stets gesucht sind Arbeitskräfte in der Pflege und in der Betreuung. „Das bedeutet nicht, den ganzen Tag im Heim Windeln zu wechseln“, so die Berufsberaterin. Dabei gehe es auch um die Betreuung Demenzkranker oder um die Pflege zuhause. „Sie können sich auch selbstständig machen, indem sie die Betreuung mehrerer Menschen übernehmen“, informierte sie. Viele Frauen unterschätzten ihr Potential, denn „viele kommen ja direkt aus der Pflege eines Angehörigen und möchten jetzt wieder arbeiten“, weiß sie aus Erfahrung.
Die Fähigkeiten einer Familienmanagerin richtig herausstellen, dazu wurden auch Sonja Lutz (53) aus Aidhausen und Diana Höchner-Rückert (42) aus Hofheim aufgefordert. Sie waren gerade beim Bewerbungsmappen-Check. Beide haben gerade erst Kinder bei ihren Bewerbungen begleitet und dachten, sie wären auf dem Laufenden. Doch während bei angehenden Azubis die Zeugnisse und der Einstellungstest zählen, müssen sich reifere Bewerber „regelrecht anbieten“, so Sonja Lutz. „Man muss seine Fähigkeiten im Lebenslauf zusammenfassen, die Personalchefs suchen sich die Informationen nicht aus den einzelnen Arbeitszeugnissen zusammen“, erzählte sie im Gespräch mit unserer Zeitung aus der vorangegangenen Beratung. Als Bürokauffrau hat sie gelernt, arbeitet derzeit in der Mittagsbetreuung einer Schule im Minijob, aber diese Stelle wird jetzt umorganisiert. „Ich gehe auch putzen, aber es müsste in der Nähe sein“, so Lutz. Für einen 450-Euro-Job nach Schweinfurt fahren, da bliebe nicht viel übrig.
An einem mehrfachen Scheideweg steht Susanne Thomas aus Hemmendorf. Die 43jährige Einzelhandelskauffrau hat in den vergangenen Jahren die Familie mit zwei Kindern organisiert und im Familienbetrieb im Büro mitgearbeitet. Jetzt ist die Ehe am Ende, ihr Job damit auch und alle Bewerbungen liefen bisher ins Leere. 14 und neun sind die Kinder und damit im „Taxi-Alter“, wie die Mutter lächelnd erklärt. Damit die Kinder auch künftig ihren Freizeitaktivitäten nachgehen können, sucht auch sie eine Halbtagsstelle möglichst am Vormittag. Weil sie bisher auf keine einzige Bewerbung eine Rückmeldung erhalten hat, wollte sie ihre Bewerbungsmappe checken lassen. Die ist aber in Ordnung. „Vielleicht nehmen Arbeitgeber mitarbeitende Ehefrauen auch nicht ernst, weil manche doch nur zum Schein angemeldet sind“, so ihre Vermutung.
Eigentlich einen begehrten Beruf als Erzieherin hat die 47jährige Anna Gerasimenko aus Goßmannsdorf. Doch ihr Diplom hat sie in Rußland erworben, es wird in Deutschland nicht anerkannt. An eine Chance in der Kinderbetreuung glaubt sie nicht, doch bei der Gebäudereinigungsfirma, bei der sie derzeit mit drei Stunden täglich arbeitet, sieht sie ihre Zukunft auch nicht. Es hat sich halt angeboten, weil die Arbeitszeiten am Abend lagen und der Mann die drei Kinder beaufsichtigen kann.
Die Teilnehmerinnen zeigten sich beeindruckt von den vielen wertvollen Hilfen, die ihnen an diesem Tag angeboten wurden, viele machten auch gleich einen Beratungstermin in der Agentur für Arbeit aus – und einige bekamen einen Impuls, die Berufsplanung einmal in eine ganz andere Richtung zu lenken.