Mehrgenerationenhaus in Haßfurt eröffnet Wanderausstellung zum Thema Demenz mit einer Talkrunde
Haßfurter Tagblatt – 05.08.2016 – Peter Schmieder
Dass das Thema Demenz die Menschen in der Kreisstadt zu beschäftigen scheint, zeigte sich am Mittwochabend im Mehrgenerationenhaus. Brechend voll war der Veranstaltungsraum im Erdgeschoss des Hauses zur Eröffnung der Wanderausstellung „Was geht. Was bleibt. Leben mit Demenz“.
„Gesundheit ist der größte Reichtum“, zitierte Bürgermeister Günther Werner in seinem Grußwort ein altes Sprichwort. „Aber wir lernen oft erst, sie zu schätzen, wenn sie verloren geht“, bekräftigte er, dass sich die Menschen besser rechtzeitig mit der Thematik auseinandersetzen sollten. „Mit der Krankheit verändert sich auch das Leben der Angehörigen“, sprach er ein weiteres Problem an. Außerdem wies er auf das Buch „Meine Oma Gisela“ hin, ein Kinderbuch, das altersgerecht erklärt, warum ältere Verwandte sich manchmal verändern.
„Der volle Raum zeigt, dass das Thema präsent ist“, sagte auch MdL Steffen Vogel als Schirmherr der Ausstellung. Allerdings müsse das Thema noch mehr aus der Tabuzone heraustreten, da oft auch von den Angehörigen aus Scham geschwiegen werde. Im Anschluss an die Grußworte nahm Vogel an einer Diskussionsrunde zum Thema Teil. Hier sollten auch die Besucher der Eröffnung die Gelegenheit bekommen, mit zu diskutieren. „Ich werde ein paar Fragen stellen, aber dann sind Sie gefragt“, sagte Moderator Dr. Martin Sage, Redaktionsleiter des Haßfurter Tagblatts, in Richtung des Publikums. Neben Vogel nahmen Gerhard Wagner vom Vorstand der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Chefarzt Dr. Frank Schröder von der Akutgeriatrie der Haßberg-Kliniken, die Leiterin des Seniorenwohnzentrums Unteres Tor Ulrike Rüth sowie zwei pflegende Angehörige teil, die aus ihren Erfahrungen berichteten.
Die erste Frage richtete sich an Dr. Schröder. „Wenn man, wie ich, die 50 überschritten hat und öfter mal was vergisst – muss ich mir dann Sorgen machen?“ Schröder entgegnete: „Jeder vergisst mal was.“ Das sei auch nötig, um Platz im Kopf zu schaffen. Grund zur Sorge bestehe vor allem, wenn das Kurzzeitgedächtnis betroffen ist. So erzählte Schröder beispielhaft von einem Patienten, der zwar Schillers Glocke auswendig und fehlerfrei wiedergeben konnte, sich aber nicht mehr an das erinnerte, was er am Vortag mit dem Arzt besprochen hatte.
Demenz beschreibt Schröder als „Verlust von Fähigkeiten, die der Mensch einmal hatte“. Dass die Erkrankung erst im letzten Jahrhundert entdeckt wurde, begründet Schröder mit der gestiegenen Lebenserwartung der Menschen.
Dass mit der steigenden Lebenserwartung auch ein massiver Anstieg von Demenzerkrankungen zu erwarten sei, bestätigte auch Gerhard Wagner. „Es wird immer häufiger, je älter ein Mensch ist“, erklärte er. So zeigen rund acht Prozent der über 65-Jährigen eine Demenz-Symptomatik, bei über 90-jährigen sind es schon 40 Prozent. „Ich bin kein Anhänger von solchen Begrifflichkeiten“, entgegnete Wagner auf die Frage, ob sich Demenz als „Volkskrankheit“ bezeichnen lasse.
Liane Deusel und Christa Ficht berichteten aus ihren Erfahrungen als pflegende Angehörige. Deusel, deren Mann betroffen ist, erzählte: „Seit 2010 ist es sehr stark aufgetreten. Aber entwickelt hatte es sich schon vorher.“ Allerdings seien die Vorstufen nicht erkannt worden. Als sie ihren Mann erstmals direkt auf die Vermutung ansprach, bekam sie lediglich zur Antwort: „Du spinnst.“ Für ein Gespräch über das Thema sei er nie zugänglich gewesen. Sehr auffällig wurde die Erkrankung dann 2012, im Jahr ihrer Goldenen Hochzeit. Nun war es schon so weit, dass ihr Mann seine Eltern sprechen wollte, die schon lange vorher verstorben waren.
Als er schließlich seine eigene Frau nicht mehr erkannte und den vermeintlichen Eindringling aus seinem Haus werfen wollte, wurde ein Eingreifen der Polizei nötig. Schließlich kam er in stationäre Behandlung. Aufgrund seines aggressiven Verhaltens war es nicht mehr möglich, ihn zuhause zu behalten. Mittlerweile kann der Mann nicht mehr sprechen und laufen.
Ganz anders ging es mit Christa Fichts Mutter. Die alte Frau, die vor vier Monaten verstarb, lebte bis zum Schluss zuhause bei ihrer Familie. „Es hat schleichend angefangen. So sind wir da einfach reingewachsen“, erzählt Christa Ficht. Die Familie habe immer versucht, die alte Dame zu beschäftigen. Dafür nutze Christa Ficht unter anderem die Musik- und Tanzveranstaltungen des Mehrgenerationenhauses. Ficht ist überzeugt, dass ihre Mutter bis zum Ende ein lebenswertes Leben hatte.
„Sie sind wirklich Heldinnen des Alltags“, lobte Steffen Vogel die beiden Frauen. Auf die Frage, wie Angehörige besser unterstützt werden können, meinte er: „Es gibt eine Vielzahl an Beratungsangeboten, die sind aber zu wenig bekannt.“ Unter anderem nannte er die Fachstelle für pflegende Angehörige, die vom Freistaat Bayern gefördert wird. Ulrike Rüth erklärte, dass Angehörige im Umgang oft schwieriger seien, als die Patienten selbst. „Sie müssen den Umgang damit erst lernen. Das ist oft schwer.“
In der Diskussion mit dem Publikum meldete sich dann auch die 3. Bürgermeisterin von Zeil, Christl Pottler zu Wort. Sie berichtete, unter anderem aus ihrer langjährigen Erfahrung mit der Arbeit bei der Caritas, man müsse einem an Demenz erkrankten Menschen „da begegnen, wo er ist“. Wenn also jemand seine längst verstorbene Mutter sprechen will, solle man ihm nicht sagen, dass sie tot ist. „Und wenn er in die Schule gehen will, dann sagt man halt, dass Ferien sind.“
Auf die Frage, wie man einer Demenzerkrankung vorbeugen könne, meinte Dr. Schröder: „Es gibt nichts, das Alzheimer verhindert.“ Medikamente können die Krankheit etwas verzögern, es gebe aber auch viel Werbung für wenig hilfreiche Medikamente. Gerhard Wagner wies außerdem darauf hin, dass vor einer medikamentösen Behandlung in jedem Fall genau diagnostiziert werden müsse, um welche Art von Demenz es sich handelt.
Die Ausstellung „Was geht. Was bleibt. Leben mit Demenz“ ist noch bis Ende August im Mehrgenerationenhaus zu sehen.