Haßfurter Tagblatt / Neue Presse – 14./16.10.2015 – Sabine Meißner
Projekt „Bildungspatenschaften – Stark für Erfolg“ des Mehrgenerationenhauses mit 2. Preis der „Aktion Integration“ gewürdigt
Die Regierung von Unterfranken zeichnet das Mehrgenerationenhaus (MGH) als einen von drei Preisträgern mit dem Integrationspreis 2015 aus. Die Würdigung gilt hauptsächlich dem Engagement von Ehrenamtlichen, die Bildungspatenschaften übernommen haben. Am Montag fand die Preisverleihung in der Würzburger Residenz statt.
Würzburg / Haßfurt Das Mehrgenerationenhaus (MGH) des Bayerischen Roten Kreuzes Kreisverband Haßberge hat für das Projekt „Bildungspatenschaften – Stark für Erfolg“ den mit 1500 Euro dotierten zweiten Preis der „Aktion Integration“ erhalten. Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer überreichte den Preis und den symbolischen Scheck an Gudrun Greger, die Koordinatorin des MGH. Sie war mit einer Abordnung haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter zur Festveranstaltung in die Residenz geladen worden.
Was sich als nüchterne Pressemeldung in der Zeitung darstellt, löste im tatsächlichen Geschehen große Freude bei allen Beteiligten aus. Gudrun Greger sprach in der Veranstaltung vor zahlreichen Politikern und anderen offiziellen Gästen sowie Ausgezeichneten über Inhalt und Ziele des Projektes „Bildungspatenschaften“, mit dem sich das MGH als eine von 24 unterfränkischen Einrichtungen um den Integrationspreis beworben hatte. Sie zeigte auf, welch hohe Bedeutung die Auszeichnung für ihr Team habe. „Unsere Ehrenamtlichen bringen einen großen Teil ihrer Freizeit auf, um mit Patenschaften anderen Menschen zu helfen“, sagte die Haßfurter MGH-Chefin. Schon seit der Eröffnung des MGH stünden die Entlastung und Unterstützung von Familien mit und ohne Migrationshintergrund und der Ausbau familienfreundlicher Netzwerke im Mittelpunkt des Handelns. Seit November 2009 gibt es die Bildungspatenschaften im MGH. „Unsere Bildungspaten bringen sich nach dem Prinzip Geben und Nehmen ein“, informierte Greger, „denn wir gehen davon aus, dass jeder Mensch ein Talent hat und demzufolge für Hilfe, die er erfährt, etwas zurückgeben kann“. Mit der Begleitung durch Paten werde gezielt Familien mit Kindern aus allen Kulturen nachhaltig Teilhabe und Bildung ermöglicht.
Bildungspatenschaften im MGH gibt es auch für Menschen, die schon immer in Deutschland zu Hause sind, etwa für Schulkinder in bestimmten Fächern oder vor Eintritt in die Schule, für Menschen mit Beeinträchtigungen, für ältere Frauen und Männer oder für Mädchen in männlich geprägten Ausbildungsrichtungen und für Buben in umgekehrter Weise. Die Gründe für Patenschaften sind ebenso vielfältig wie die Personen auf die sich beziehen und die sie durchführen. Es sind Haßbergler aller Generationen, mit verschiedener Herkunft und unterschiedlichen Biografien auf beiden Seiten beteiligt. Eine der Bildungspaten ist Monika Hoffmann. Sie kam zum MGH, um Deutschunterricht für Menschen zu geben, die aus dem Ausland in den Landkreis kamen. Mittlerweile haben mit ihrer Hilfe viele ihrer erwachsenen Schüler passable Deutschsprachkenntnisse erworben. Stellvertretend für alle Bildungspaten des MGH trat Monika Hoffmann nach Gudrun Greger an das Mikrofon und kam der Aufforderung nach, über ihre Motivation zu berichten. „Ich habe selbst mit meiner Familie mehrere Jahre in verschiedenen Ländern gelebt“, begann sie ihre Ausführungen. „Meine persönlichen Erfahrungen aus dem Zusammenleben mit Menschen in einem fremden Land wollte ich gerne zur Verfügung stellen, nachdem ich nach Haßfurt gezogen bin.“ Im MGH sei sie herzlich aufgenommen und ihr Angebot in sinnvolle Bahnen gelenkt worden, erklärte sie. „Und es macht viel Freude“, sagte Monika Hoffmann unter dem Beifall der Anwesenden, „denn ich lerne selbst dabei Neues von anderen Kulturen und ernte viel Dankbarkeit“. Eines ihrer ehemaligen Patenkinder stand inmitten der Haßbergabordnung mit ihr auf der Bühne: Steffi Hely-Pelami, einstiges Patenkind und nun ehrenamtliche Mitarbeiterin im MGH im Rahmen eines Praktikums.
Es konnten nicht alle MGH-Bildungspaten an der Veranstaltung in der Residenz teilnehmen. Bei Gesprächen nach der Preisverleihung, die im lockeren Rahmen von hochrangigen Ehrengästen mit Preisträgern bei einem Stehempfang geführt wurden, berichtete Gudrun Greger beispielsweise von Martin Ludwig, der auf einfache Art und Weise interessierten Bürgerinnen und Bürgern, vornehmlich älteren, die Vielfalt des „World Wide Web“ beibringt. Sie erwähnte das Ferienprogramm „Fit für die Schule“ für Schulanfänger, das von der Lehrerin Anja Lindner ehrenamtlich unter Beteiligung des Kinderarztes Dr. Arman Behdjati-Lindner durchgeführt wird und vielen Kindern zur Freude ihrer Eltern den Einstieg in die Schule erleichtert. Der „Mehrgenerationenparcours“ in der Kreisstadt gibt die Möglichkeit, gemeinsam Spaß an der frischen Luft zu haben, miteinander in Kontakt zu kommen und aktiv zu sein ohne dass irgendwelche Unterschiede dabei stören könnten. Die MGH-Chefin, aber auch ihre beiden hauptamtlichen Mitarbeiterinnen Simone Geruschke und Lisa Geyer, berichteten bei einem Glas Wein oder Saft von der Arbeit der ehrenamtlichen Bildungspaten Renate Wohlleben, Birgit Gerling und weiterer.
Renate Wohlleben war anwesend und erzählte selbst von ihren Patenkindern, zwei Brüdern, deren Eltern mit ihnen aus Polen nach Deutschland in den Haßbergkreis kamen. Ihre Patenenkel seien mittlerweile so gut integriert, dass sie „die Paten-Oma gar nicht mehr brauchen“ und sich Renate Wohlleben neuen Aufgaben im MGH widmen könne. Ebenfalls mit in die Residenz gereist war Ingrid Thieler. Sie erzählte plastisch von der Lichtstube, einer Gruppe von Frauen, die einmal in der Woche im MGH zusammenkommen und Kinderkleidung für Flüchtlingsfamilien und andere stricken. „Das wöchentliche Stricken, unter anderem für eine Missionsstation in Albanien, ist eine feste Institution geworden“, informierte sie im Gespräch mit Michael Ziegler, der für den Landrat als Ehrengast der Preisverleihung beiwohnte. „Bitte richten Sie Herrn Landrat Schneider unsere herzlichen Grüße aus“, sagte die engagierte Strickerin zu Ziegler, „wir würden uns sehr freuen, wenn er uns einmal in der Lichtstube besuchen würde“. Sie versicherte, dass der Landrat bei einem Besuch „einen ebenso schönen gestrickten Schal“ erhalten würde, wie ihn bei seinem Besuch der Ministerpräsident Horst Seehofer bekommen hat.
Viele weitere Aktivitäten und Namen von Bildungspaten waren am Montagabend in Würzburg im Gespräch, etwa die Kurse von Frank Hartmann und Diethmar Morawski, einem freiwillig engagierten Baubiologen und einem promovierten Diplomingenieur, der mit technikbegeisterten Kindern deren Kreativität und Phantasie durch das Entwerfen von Maschinen am PC fördert. Das neu eingerichtete Kinderhotel in der Außenstelle Ebern wurde erwähnt, wo kleine „Hotelgäste“ von Lisa Geyer und der ehemaligen Lehrerin Gisela Röder betreut werden und wo es bei Spiel und kreativem Spaß international zugeht. Im Eberner BRK-Mehrgenerationenhaus treffen sich auch wöchentlich eifrige Strickerinnen, um ihrem Hobby gemeinsam zu frönen und Flüchtlingsmütter mit selbstgemachten Babygarnituren zu unterstützen.
Gudrun Greger resümierte: „In freundlicher Umgebung und angenehmer Atmosphäre des MGH lernen Familien mit Migrationshintergrund alltagstaugliches Deutsch, wobei Kinder gerne mitgebracht werden können, außerdem bieten die Kurse den Familien viele Kontaktmöglichkeiten und Anknüpfungspunkte.”
Sie stellte auch fest, dass einerseits viel Motivation zum ehrenamtlichen Engagement existiert, andererseits oft Erfahrung und Organisation fehle. „Um hier Abhilfe zu schaffen, gibt es mittlerweile die Ausbildung zum Freiwilligenmanager, wobei Menschen geholfen wird, die passende ehrenamtliche Tätigkeit zu finden sowie Vereine, die auf unentgeltliche Mitarbeit angewiesen sind, bei der richtigen Gestaltung unterstützt werden. Sie habe so eine Ausbildung absolviert.
I N F O R M A T I O N
Unter dem Motto „Miteinander leben, voneinander lernen“ ist der unterfränkische Integrationspreis zum achten Mal vergeben worden. Aus aktuellem Anlass sei das Motto für 2015 um den Zusatz „Integration? Ehrensache!“ erweitert worden, informierte Regierungspräsident Paul Beinhofer in seiner Ansprache.
„Die Eingeladenen“, sagte Beinhofer, „engagieren sich in besonderem Maße und leisten eine großartige Arbeit“. Dabei gehe es nicht nur um die Flüchtlinge, die aktuell in großer Zahl zu uns kommen, sondern auch um „viele andere Menschen, die hier leben wollen“. Die Ehrenamtlichen würden sich mit hohem persönlichen Einsatz um diese Menschen kümmern, meinte der Regierungspräsident und stellte fest: „Damit leisten sie eine wichtige Arbeit für die Kommunen vor Ort.“
Vertreter von Kommune und Landkreis waren der Einladung in die Residenz ebenfalls gefolgt. Die Abordnung des MGH reiste unter Begleitung von BRK-Kreisgeschäftsführer Dieter Greger zur Veranstaltung. In den Stuhlreihen vor ihnen verfolgten Michael Ziegler, Vertreter des Landrates, Wolfgang Borst als stellvertretender Kreisvorsitzender des BRK sowie Haßfurts Bürgermeister Günter Werner die Ehrung.
Ein großes Aufgebot an weiteren Politikern und Abgeordneten aus den Landkreisen der drei Preisträger sowie mehrere Bürgermeister, der Leiter der Arbeitsagentur Schweinfurt, Vertreter der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, der Gerichtsbarkeit, der Schulen und der Wirtschaft sowie der Polizeipräsident von Unterfranken hatten in den ersten Reihen Platz genommen. Sie alle wurden von Beinhofer namentlich begrüßt. Er unterstrich damit „die Bedeutung, die der Integrationspreis im Land hat“. Der Begrüßung schloss sich ein Referat des Staatsekretärs Johannes Hintersberger, MdL, an.
Der erste Preis ging an den Kinderschutzbund Aschaffenburg für das Projekt „Elternwerkstatt“. Für den dritten Preis hatte die Jury die Freie Turnerschaft Würzburg für das Projekt „Sport ohne Grenzen“ bestimmt.
Aus der Laudatio anlässlich der Preisübergabe an das Haßfurter MGH:
Das Mehrgenerationenhaus unterstützt seit 2009 mit dem Projekt „Bildungspaten – Stark für Erfolg“ durch bürgerliches Engagement mit Bildungspaten vor Ort Familien mit Migrationshintergrund, deren Kinder mit Bildungsangeboten gefördert werden. Im Kindergarten, in der Schule, in der Ausbildung und im täglichen Leben, ist eine Unterstützung durch Patinnen und Paten eine wichtige Ergänzung. Neben der Unterstützung in Bildungsangelegenheiten fungieren die ehrenamtlichen Bildungspatinnen und Bildungspaten auch als Brückenbauer für die Integration der Familien in das nachbarschaftliche und gesellschaftliche Zusammenleben unterschiedlicher Milieus und Kulturen vor Ort.
Zur Delegation aus Haßfurt gehörten:
- Dieter Greger, Kreisgeschäftsführer des BRK KV Haßberge
- Wolfgang Borst, Stellvertretender Vorsitzender des BRK KV Haßberge und 1. Bürgermeister der Stadt Hofheim in Unterfranken
- Michael Ziegler, Stellvertretender Landrat des Landkreises Haßberge
- Günther Werner, 1. Bürgermeister der Stadt Haßfurt
- Gudrun Greger, Leiterin des Mehrgenerationenhauses Haßfurt
- Simone Geruschke, Stellvertretende Leiterin des Mehrgenerationenhauses Haßfurt
- Lisa Geyer, Mehrgenerationenhaus Haßfurt, Fachstelle für Pflegende Angehörige und Ansprechpartnerin für die MGH-Außenstelle Ebern
- Tamara Sotnikov, Bundesfreiwilligendienstleistende
- Ingrid Thieler, Ehrenamtliche (Gründerin der Lichtstube, sowie MGH-Freundeskreis)
- Anne Borst, Ehrenamtliche im Bereich der Kinderangebote in Ebern
- Gisela Röder, Ehrenamtliche Mitarbeiterin im Kinderhotel, sowie Unterstützerin und Fürsprecherin für die MGH-Außenstelle in Ebern
- Renate Wohlleben, Ehrenamtliche und Familienpatin
- Monika Hoffmann, Ehrenamtliche Deutschkursleiterin, Bildungs- und Familienpatin für Patenkinder und aktuell eine iranische Familie
- Steffi Hely-Pelami, ehemaliges Patenkind, Ehrenamtliche Mitarbeiterin im Rahmen eines Praktikums
Links zum Thema:
→ Glückwünsche zum Integrationspreis