Rotes Kreuz und Haßberg-Kliniken zeigen sich zufrieden mit dem Bundesfreiwilligendienst
Haßfurter Tagblatt – 19.01.2015 – Peter Schmieder
HASSBERGKREIS – Jasin Sahraoui arbeitet für neun Monate beim Fahrdienst des Roten Kreuzes. Der 19-jährige Augsfelder ist einer von 20 „Bufdis“, die das BRK in Haßfurt derzeit beschäftigt. „Nach dem Abitur wollte ich nicht gleich in eine andere Lehrinstitution“, begründet er diese Entscheidung. Zwar möchte er später studieren, aber vorher will er eine Pause. Diese Zeit möchte er nun zur beruflichen Orientierung nutzen.
„Es sind sehr verschiedene Erfahrungen“, erzählt er. Im Gegensatz zur Schule müsse er nun nicht mehr nur anwesend sein, es gehe auch darum, dass er gewissenhaft seine Arbeit erledigt. Andere neue Erfahrungen sind der Schichtdienst und das Kennenlernen von Themen, „die einem sonst nicht begegnen“. So zeige ihm die Arbeit mit Behinderten und Kranken einen Lebensbereich, der von vielen Menschen verdrängt werde. „Man sieht, dass man auf jeden Fall helfen kann“, meint er.
Die Arbeitszeit damit zu verbringen, Menschen zu fahren, klinge zwar zunächst einseitig, Jasin Sahraoui findet es aber durchaus interessant, auf seinen Fahrten die verschiedensten Charaktere kennenzulernen. Auch die Frage, in welche berufliche Richtung er später gehen möchte, hat die Arbeit beim BRK beeinflusst. Zwar besteht sein Ziel, Journalist zu werden, weiterhin, mittlerweile könnte er sich aber auch ein Medizinstudium vorstellen.
Noch bis 2011 hatten viele junge Männer keine Wahl: Wer als wehrdiensttauglich gemustert wurde, dem blieb nur die Wahl zwischen Wehr- oder Zivildienst. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht schuf die Regierung die Möglichkeit, diesen freiwilligen Dienst zu leisten. „Für manche ist es eine Möglichkeit, Zeit zu überbrücken, in einen Beruf reinzuschnuppern oder zu überlegen: ‚Was will ich‘“, sagt Antje Mäder, Sprecherin des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Bafza).
Derzeit gibt es 39 Freiwillige, die im Landkreis Haßberge tätig sind, 24 davon sind Frauen. „Aus Sicht eines Sozialverbandes war der Zivildienst ein gutes Erlebnisfeld für soziale Tätigkeiten“, meint die Caritas-Geschäftsführerin für den Landkreis Haßberge, Anke Schäflein. „Nach dem Zivildienst haben sich dann doch einige junge Männer für eine soziale Berufsausbildung entschieden. Dieser Zugang fällt seither weg; damit liegt der Schluss nahe, dass noch weniger männliche Mitarbeiter im sozialen Feld tätig werden.“ Das solle jedoch nicht den Zivildienst per se rechtfertigen, betont sie. „Es war lediglich ein positiver Nebeneffekt.“
Aus Sicht der Caritas im Haßbergkreis ist durch den Wegfall der Zivildienststellen keine akute Verschlechterung in der Versorgung entstanden; zumindest nicht in ihrem Schwerpunkt in der Altenhilfe. „Zivis waren immer ‚nur‘ für zusätzliche Tätigkeiten eingesetzt“, so Schäflein. So hätten sie einen Mehrwert für die Betreuten dargestellt und die Mitarbeiter entlastet. Seit es keine Zivildienstleistenden mehr gibt, seien aber einige gesetzliche Regelungen verabschiedet worden, die die Betreuungsleistungen verbesserten.
Plätze für den Bundesfreiwilligendienst bietet die Caritas im Landkreis Haßberge nicht an. Allerdings gibt es hier Praktikumsplätze für Absolventen von Altenpflege‑, Sozialpflege- und Krankenpflegeschulen. „Bufdi“-Stellen gibt es hingegen beim Diözesan-Caritasverband in Würzburg.
„Die Leute bekommen ein Taschengeld und sind sozialversichert. Und es gibt natürlich weiterhin Kindergeld, wenn ein Anspruch besteht“, erklärt Bafza-Sprecherin Antje Mäder. Wer wissen möchte, welche Organisationen in seiner Nähe entsprechende Stellen anbieten, kann sich auf www.bundesfreiwilligendienst.de informieren. Bei der Einsatzstellensuche kann er seinen Wohnort und einen Umkreis angeben und findet eine Liste an Einrichtungen, die in den vergangenen Jahren Bufdis beschäftigten. Einen direkten Zahlenvergleich zwischen Zivil- und Freiwilligendienst bezeichnet Antje Mäder als „Äpfel mit Birnen vergleichen“. Denn während die letzten Zivildienstleistenden nur noch ein halbes Jahr ihren Dienst tun mussten, dauert der Bundesfreiwilligendienst normalerweise ein Jahr.
Allgemein wird der Freiwilligendienst gut angenommen. „Die Bufdis haben die Zivis gut ersetzt“, meint auch Stephan Kolck, Vorstandsvorsitzender der Haßberg-Kliniken. „Sie haben meist ein Anliegen oder einen Grund, sich zu engagieren“, hebt er einen Vorteil gegenüber den Zivis hervor, die einen Pflichtdienst leisten mussten.
Das Krankenhaus in Haßfurt beschäftigt derzeit neun Bufdis. Eine davon ist Isabella Sauerteig. „Ich wusste nach der Schule noch nicht ganz genau, was ich machen will“, erzählt die 19-Jährige. Um sich zu orientieren entschied sie sich für den Bundesfreiwilligendienst. Zu ihren Aufgaben gehört die Pflege der Patienten. So muss sie die Menschen waschen, manchmal auch helfen, das Essen auszuteilen oder mit den Schwestern zusammen die schweren Betten in den OP schieben. Manchmal geht es auch einfach darum, sich mit älteren Patienten zu unterhalten. Eine weniger angenehme Aufgabe ist das Putzen. „Aber das gehört eben auch dazu“, meint sie.
Tatsächlich hat ihr die Zeit im Krankenhaus bei der beruflichen Orientierung geholfen: „Es macht mir so viel Spaß, dass ich jetzt Krankenschwester werden möchte“, sagt sie. Außerdem lobt sie das Arbeitsklima im Haßfurter Krankenhaus: „Es ist super, ich verstehe mich mit allen!“
Den Kontakt zu den Einrichtungen, die entsprechende Stellen anbietet, sollen die Interessenten selbst herstellen, das Bundesamt ist keine Stellenvermittlung. „Ich hab selber beim BRK angerufen“, erzählt auch Marlena Koch. Seit September leistet sie ihren Dienst in der Ganztagsbetreuung des Roten Kreuzes, unterhalb der Grundschule am Dürerweg. Die 18-Jährige möchte Kunstpädagogik studieren und später auch mit Kindern arbeiten. Die Tätigkeit in der Ganztagsbetreuung hat sie in diesem Ziel bestärkt.
Auch die 19-jährige Maxine Korn ist für den gleichen Zeitraum als Bufdi bei der Ganztagsbetreuung. „Nach dem Abi war ich nicht ganz sicher, was ich studieren will“, sagt sie. Da sie ohnehin „was mit Kindern“ machen wollte, entschied sie sich zunächst für den Bundesfreiwilligendienst in der Ganztagsbetreuung. Später möchte sie Lehrerin werden. Allerdings hat ihr der Freiwilligendienst auch etwas gezeigt, was sie nicht dauerhaft machen möchte: „Nicht in der Grundschule“, sagt sie, denn auf Dauer wäre ihr das doch „zu spielerisch“.
In der Ganztagsbetreuung spielen die beiden mit den Kindern, bereiten Angebote mit vor oder begleiten sie zum Essen in die Mensa. Eine weitere Einrichtung des Roten Kreuzes, das eine Stelle für den Bundesfreiwilligendienst zur Verfügung stellt, ist das Mehrgenerationenhaus (MGH). „Sie hat hauptsächlich Verwaltungsaufgaben und koordiniert die Dinge, die hier im Haus passieren“, berichtet die stellvertretende Leiterin Simone Geruschke. Doch die „Bufdine“, die momentan im MGH tätig ist, beteilige sich auch an den Projekten, so Geruschke. Beispielsweise habe sie beim Kinderhotel in der Außenstelle in Ebern mitgearbeitet und Patenschaften für zwei Schüler übernommen, denen sie beim Lernen hilft.